Dass Tone und Kaoline so dicht beieinander liegen, ist selten, sagt Stephan Schmidt. Während der Diplomingenieur für Keramik die verschiedenen Schichten in der Tongrube Wiesa erklärt, zieht eine Schürfkübelraupe ihre Bahn. Der unter ihrem Bauch befindliche Hobel schabt Schicht für Schicht das weiße Kaolin ab. Mit dem Schiebeschild wird der begehrte Porzellanrohstoff zu einem ansehnlichen Berg angehäuft, bereit für den Abtransport ins Mischwerk. Hundert Meter weiter lädt ein Hydraulikbagger bei Temperaturen von über 30 Grad Celsius helle Tone auf einen Lkw. Der wird seine Fracht gleichfalls ins Mischwerk bringen.
Das Bergwerksfeld Wiesa-Hasenberg bei Kamenz ist eine der größten europäischen Lagerstätten von Verwitterungsprodukten des Granodiorit. Dass sich hier modernste Technik dreht, dafür hat die Stephan-Schmidt-Gruppe mehr als sieben Millionen Euro investiert. Beispielsweise in den Erwerb der Lagerstätten, Abbaurechte, den großen Aufschluss der Grube und den zweistufigen Ausbau des Mischwerks. Dabei hatte das Unternehmen aus Langendernbach im Westerwald zur Wende weder familiäre noch geschäftliche Beziehungen in den Osten Deutschlands. Jetzt wurde in Wiesa das 20-jährige Bestehen der Betriebsstätte gefeiert.
Als Enkel des Firmengründers trägt Stephan Schmidt den Vornamen seines Großvaters. Seit einem Jahr ist der 25-Jährige im Unternehmen tätig. Sein Vater Günther Schmidt führt die Geschäfte im Westerwald und schaut regelmäßig in Wiesa nach dem Rechten. Mit Stephan Schmidt und seinen beiden Schwestern arbeitet bereits die dritte Generation an der Entwicklung des Familienunternehmens.
Diese Perspektive ist wichtig. Denn allein in Wiesa lagern Vorräte von 10,5 Millionen Tonnen Tone und Kaoline. Ein Rahmenplan erlaubt deren Abbau bis zum Jahr 2047 – mit der Option auf zweimalige Verlängerung um jeweils weitere 50 Jahre. Das Bergwerksfeld zwischen Thonberg, Wiesa und Nebelschütz ist 142 Hektar groß, nur zehn davon sind geöffnet. Pro Jahr werden in Wiesa 170000 Tonnen gefördert und weitere 80000 Tonnen in der Grube Cunnersdorf. In mehreren Kernbohrungen wurde in diesem Jahr das Gelände in Wiesa untersucht, um die Grube später erweitern zu können. Die Bohrkerne und 3 D-Modelle zeigen genau, wie die Rohstoffe liegen.
Zuversicht nach der Krise
Schon 1655 hatte der Stadtrat Kamenz der Töpferinnung erlaubt, in Wiesa nach Ton zu graben. Die spätere Ziegelei befand sich von 1862 bis 1876 sogar in städtischem Besitz. Sie wurde verkauft, weil das Lager angeblich erschöpft gewesen sei. Was sich später als Irrtum herausstellte. Und so meinte der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz scherzhaft, dass er den damaligen Verkauf gern rückgängig machen würde, wenn er den heutigen erfolgreichen Stand der Grube sieht. 20 Mitarbeiter sind im Unternehmen beschäftigt, weitere 15 bei Dienstleistern. Acht Lehrlinge wurden bisher ausgebildet.
Höhen und Tiefen gehören zur Bilanz der 20 Jahre. Zu letzterem zählt Geschäftsführer Günther Schmidt auch die Kurzarbeit während der Krise 2009/10. Inzwischen sei man wieder auf Erfolgskurs. Der schonende Umgang mit den Ressourcen und die Ehrfurcht vor den Rohstoffen sind bis heute Teil der Unternehmensphilosophie. Ebenso wie der hohe Qualitätsanspruch. 80 Prozent der in Wiesa geförderten Rohstoffe gehen auf die Reise nach Osteuropa vor allem nach Polen, aber auch nach Russland, Tschechien und in die Ukraine. Als Rohstoffe zur Herstellung von Fliesen und Sanitärkeramik.
Bis zu 14500 Tonnen liegen im Lager neben Grube und Mischwerk in Wiesa bereit, um von den Radladern mit ihren geeichten Schaufeln auf die wartenden Lkw verladen zu werden. Ehe die das Gelände verlassen, passieren sie die vor einigen Jahren installierte Reifenwäsche. (Constanze Knappe, Sächsischen Zeitung).